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Nagoya-Glossar

Alle wichtigen Fachbegriffe, die das Nagoya-Protokoll ausmachen

Zu den Grundlagen des Nagoya-Protokolls

+ Konvention über die biologische Vielfalt

Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt („Convention on Biological Diversity“, CBD) von Rio de Janeiro 1992 sucht die Biodiversität der Erde zu schützen und hält mit Stand 2018 bei 196 Vertragsstaaten. Die Konvention bekräftigt einerseits die nationale Souveränität der Vertragsstaaten an den genetischen Ressourcen, legt aber gleichzeitig drei Ziele fest, zu denen sich diese verpflichten:

  1. die Erhaltung der biologischen Vielfalt,
  2. die nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile und
  3. die ausgewogene und gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen ergebenden Vorteile.

+ Bonner Leitlinien

2001 legte eine von den Vertragsstaaten der Konvention eingesetzte Kommission die Bonner Leitlinien vor. Sie bildeten erste freiwillige Regeln für den Zugang zu genetischen Ressourcen und den Vorteilsausgleich. Auf dem Erdgipfel in Johannesburg 2002 wurde der Auftrag erteilt, auf Basis dieser Bonner Leitlinien ein verbindliches Abkommen zu erarbeiten. Sie haben heute den Wert, das Konzept des Nagoya-Protokolls in einfachen Worten darzustellen, während das Protokoll selbst in juristischer Fachsprache geschrieben ist.


Zum eigentlichen Nagoya-Protokoll

+ Nagoya-Protokoll

Das Nagoya-Protokoll ist ein völkerrechtlich verbindliches internationales Abkommen, angenommen am 29. Oktober 2010 in Nagoya, Japan, in Kraft getreten am 12. Oktober 2014. Seine Wurzeln liegen in der Konvention über die biologische Vielfalt von 1992. Mit Stand vom Februar 2018 haben es 105 Staaten ratifiziert, darunter die Europäische Union und die Schweiz.


+ Genetisches Material und genetische Ressource

„Genetisches Material“ ist jedes Material pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs, das funktionale Erbeinheiten enthält; „genetische Ressource“ ist genetisches Material von tatsächlichem oder potentiellem Wert (CBD Art. 2).

Im Kontext von Landwirtschaft und Gartenbau ist das alles Saat- und Pflanzgut.


+ Bereitsteller-Land („provider country“)

Bereitsteller-Land ist entweder das Land, in dem die genetische Ressource unter natürlichen Bedingungen vorkommt (in-situ) oder wo sie in einer Sammlung enthalten ist (ex-situ). In-situ-Länder heißen auch Herkunftsländer.

Jedem Vertragsstaat steht es aber frei, die Verfügungsgewalt über die genetischen Ressourcen auf seine Bürger und Bürgerinnen gänzlich oder teilweise zu übertragen. Das betrifft In-situ-Ressourcen auf privaten Liegenschaften oder in indigenen Schutzgebieten und Ex-situ-Ressourcen in Genbanken von Erhaltungsvereinen oder Forschungsinstituten, aber auch die eigene Pflanzenzüchtung einer Gärtnerei. Es gilt die jeweilige Rechtsordnung des Vertragsstaates.

+ Nutzung von genetischen Ressourcen

Nutzung bedeutet das Durchführen von Forschung- und Entwicklungstätigkeit am Genmaterial. Der Begriff umschließt herkömmliche Züchtungsmethoden an Pflanzen, also auch solche ohne Labor und Genmanipulation.


+ Informierte vorherige Zustimmung („prior informed consent“, PIC)

Wer die Fauna und Flora eines Landes erforschen und genetisches Material sammeln will, braucht eine vorherige behördliche Genehmigung zu dieser Unternehmung. Dabei müssen die Forscher und Forscherinnen auch angeben, wofür sie das Material verwenden wollen. Im Wortlaut des Nagoya-Protokolls nennt sich das eine „auf Kenntnis der Sachlage gegründete vorherige Zustimmung“.

Jeder Vertragsstaat wiederum hat die Verpflichtung, für einen verlässlichen und transparenten Behördenweg zu sorgen, wie eine solche informierte vorherige Zustimmung erteilt wird.


+ Gerechter Vorteilsausgleich („benefit sharing“)

Alle Vorteile, die sich aus der Nutzung der genetischen Ressourcen und deren Vermarktung ergeben, müssen mit dem Bereitsteller-Land „ausgewogenen und gerecht“ geteilt werden. Das gilt für unmittelbare Vorteile wie auch solche, die sich erst zu einem späteren Zeitpunkt ergeben. Der Vorteilsausgleich ist somit ein klarer Anreiz, für die Erhaltung der Biodiversität vor Ort und aller Ex-situ-Archive zu sorgen.

Was ausgewogenen und gerecht ist, wird jedoch nicht definiert. Das Bereitsteller-Land muss sich mit dem Nutzer auf „einvernehmlich festgelegte Bedingungen“ einigen. Auch hier hat jeder Vertragsstaat klar zu regeln, wie solche Bedingungen getroffen werden und wie ihre Einhaltung gewährleistet wird.

Zur Orientierung sind im Anhang des Nagoya-Protokolls mögliche Formen des Vorteilsausgleichs, finanzielle und nicht-finanzielle, aufgelistet. Dazu zählen Lizenzgebühren im Falle einer Vermarktung oder die Teilhabe an Forschungs- und Entwicklungsergebnissen. Wie hoch etwaige Lizenzgebühren ausfallen sollen oder wie weit die Teilhabe an den Forschungsergebnissen gehen soll, ist nicht vorgegeben.


+ Indigene und lokale Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen

Das Nagoya-Protokoll schützt die – von Vertragsstaat zu Vertragsstaat unterschiedlichen – Rechte von indigenen oder lokalen Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen. Kommt eine genetische Ressource aus dem Besitz einer solchen Gemeinschaft, muss das Bereitsteller-Land die informierte vorherige Zustimmung dieser Gemeinschaft am Zugang zur Ressource einholen sowie den Vorteilsausgleich mit ihr zu einvernehmlich festgelegten Bedingungen teilen. Das gleiche gilt für den Zugang zu traditionellem Wissen über die Erhaltung und nachhaltige Nutzung einer genetischen Ressource.


+ Access and Benefit-Sharing Clearing-House (ABSCH)

Alle wichtigen Informationen zur Umsetzung des Nagoya-Protokolls werden in Montreal in der Informationsstelle für den Zugang und die Aufteilung der Vorteile, dem Access and Benefit Sharing Clearing House (ABSCH), gesammelt und (via Website) zur Verfügung gestellt. Dort kann man nachlesen, welcher Staat das Protokoll bereits ratifiziert und welche Anlaufstelle er genannt hat. Außerdem führt das ABSCH das Register der Konformitätszertifikate. Das sind anerkannte Nutzungsvereinbarungen zu genetischen Ressourcen, in denen die informierte vorherige Zustimmung und die Vereinbarung zum Vorteilsausgleich nachgewiesen werden.


Zur Umsetzung in der EU und der Schweiz

+ Sorgfaltspflicht („due diligence“)

Die Hauptverantwortung bei der Einhaltung der Nagoya-Auflagen liegt in den Händen der Nutzer und Nutzerinnen. Sobald ein Produkt aus der Forschung und Entwicklung an genetischen Ressourcen auf den Markt gebracht wird, müssen die informierte vorherige Zustimmung und die Vereinbarung über den Vorteilsausgleich der zuständigen Behörde gemeldet werden. In der Schweiz ist das das Bundesamt für Umwelt (BAFU). Die Aufbewahrungsfrist der Unterlagen nach Ende des betroffenen Geschäfts beträgt in der Schweiz zehn und in der EU zwanzig Jahre.

In der Schweiz und den meisten EU-Mitgliedsstaaten braucht es in der Regel nicht die Zustimmung einer bestimmten Behörde, sondern es genügt, wenn diese vom rechtmäßigen Besitzer der Ressource kommt, etwa einer privaten Genbank. Das gleiche gilt für den zu vereinbarenden Vorteilsausgleich.


+ Bewährte Verfahren („best practices“)

Um die Einhaltung der Sorgfaltspflicht über die Jahre zu vereinfachen, können bestehende Vereinbarungen, etwa der Mustervertrag eines Erhaltungsvereins zur Übertragung von Genmaterial, als „bewährte Verfahren“ bei der Europäischen Kommission resp. beim Schweizer BUFA eingereicht werden. Die Anerkennung solcher Verfahren dient als Orientierung für neue Unternehmungen und soll eine Harmonisierung auf dem europäischen Markt ermöglichen.