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Das Nagoya-Protokoll

Internationale Regeln für die wissenschaftliche und kommerzielle Nutzung von Genmaterial

Wer den Geist des Nagoya-Protokolls verstehen will, muss die Geschichte des Kautschuks kennen. Von den Mayas und Azteken über Jahrhunderte genutzt, bringt ein französischer Forscher den klebrigen Stoff 1734 nach Europa. Hundert Jahre später erfindet der US-Amerikaner Charles Goodyear die Vulkanisation, die aus Kautschuk Gummi macht. Kautschuk wird begehrt und Brasilien durch dessen Export reich. Es stellt die Ausfuhr der Kautschuksamen unter Todesstrafe, aber ein britischer Abenteurer schmuggelt sie dennoch außer Land. Großbritannien lässt daraufhin in seinen Kolonien Kautschuk-Plantagen anlegen und verdrängt Brasilien allmählich vom Weltmarkt.

Das Nagoya-Protokoll soll solchem Zank um eine wertvolle Pflanze in Zukunft vorbeugen. In dem Protokoll haben sich die zeichnenden Staaten auf Regeln für den Zugang zu den genetischen Ressourcen auf ihren Hoheitsgebieten geeinigt. Es baut auf zwei Prinzipien auf. Das erste heißt „informierte vorherige Zustimmung“ und besagt, dass niemand ohne Genehmigung die Fauna und Flora eines Landes erforschen darf; eine solche Genehmigung muss aber jedem und jeder auf einem transparenten Behördenweg offenstehen. Das zweite Prinzip ist der Vorteilsausgleich oder auf Englisch benefit sharing. Die Vorteile, die aus der Forschung an einer genetischen Ressource gezogen werden, müssen demnach mit dem Herkunftsland dieser Ressource „ausgewogen und gerecht“ geteilt werden. Das betrifft die Forschungserkenntnisse wie auch einen allfälligen kommerziellen Gewinn.

Auch an indigene und lokale Gemeinschaften mit traditionellen Lebensformen, die oft seit langem jene Pflanzen nutzen, die erst noch von der Wissenschaft „entdeckt“ werden müssen, ist im Nagoya-Protokoll gedacht. Solche Gemeinschaften müssen bei der Erteilung einer Zugangsgenehmigung eingebunden werden und sie haben Anrecht auf einen allfälligen Vorteilsausgleich.

Die beiden Prinzipien wie auch die Rechte der indigenen Bevölkerungsgruppen sind zwar bereits in der Biodiversitätskonvention festgelegt, in der sich die Vertragsstaaten zu einem umfassenden Schutz der biologischen Vielfalt verpflichten. Die Vorgaben über den Zugang zu den genetischen Ressourcen waren aber nicht ausreichend beschrieben, um eine einheitliche Umsetzung zu gewährleisten. Bald nach der Verabschiedung der Konvention auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 wurde klar, dass es dafür weiterer Verhandlungen bedurfte. Diese dauerten beinahe zwei Jahrzehnte. 2010 war es soweit. In der japanischen Stadt Nagoya einigten sich die Vertragsstaaten der Biodiversitätskonvention auf das Nagoya-Protokoll. Seit 2014 ist es völkerrechtlich in Kraft.

Die wichtigsten Begriffe zum Nagoya-Protokoll sind im Glossar erklärt.